Von der klassischen Handgelenk-Malerei über die Kalligraphie als Ellbogengelenk-Malerei zur Kalliobainie (Hüftgelenk-Malerei)
Über eine neue Art Malerei
März 2010, von Edmond Jurczek
Die sogenannt klassische Malerei meint den Umgang mit Farben durch Pinsel und, bei zähflüssiger Farbe, auch durch Spachtel; dabei erfolgt die Farbführung traditionsgemäss aus dem Handgelenk heraus.
Demgegenüber meint die kalligraphischen Malerei eine Farbführung aus dem Ellbogen-Gelenk heraus. Dabei ist Kalligraphie, hergeleitet aus griechisch ,kallos’ für Schönheit und ,graphein’ für schreiben, im Abendland die Kunst des Schönschreibens. Ziel ist also eine perfekte ästhetische Ausgewogenheit im Schriftbild. Im arabischen Kulturraum wurde die Schrift in kalligraphischen Kunstwerken wie Linien verwendet, wodurch eindrucksvolle Bilder aus Buchstaben entstanden, so genannte Kalligramme. Doch erst in der japanischen und chinesischen Kalligraphie geht es auch um Ausdruck von Emotionen: ihr Schreibakt ist impulsiver, was die Schriftzeichen schwer leserlich, aber um so ausdruckstärker macht. Diese kräftige Pinselführung geschah entsprechend immer mehr aus dem Ellbogen heraus. Schriftstile stellen den eigentlichen Text und seine Lesbarkeit sogar bewusst hinter die Schönschrift-Gestaltung zurück: sie gelten eben als Bild, nicht mehr als Text.
Beschaut man diese Entwicklung, wo die ursprüngliche Farbführung sprich Bewegung aus dem Handgelenk heraus verschoben wird auf die Bewegungsebene des Ellbogens, so erscheint es wie als folgerichtig, eine weitere Verlagerung der Bewegungsebene zu erproben, nämlich die aus der Hüfte heraus. Trotz dieser Folgerichtigkeit kam mir die Inspiration zu dieser neuen Art an Maltechnik aber nicht auf diesem Weg: Mein Freund Toni Burch vom Schwendi-Kaltbad entwickelte die erfreuliche Initiative, in Stans Tai Chi und Wing Chun Kung Fu Kurse zu lancieren; hoch begabter Lehrer ist dabei Chris Hauser von Wädenswil/Zürich. Im Tai Chi Training wurde mir gezeigt, dass eine Hüftbewegung im natürlichen ja tierischen Bewegungsablauf im Allgemeinen einer Armbewegung vorausgeht, und ihr nicht nachhinkt – ganz im Gegensatz also zur angeeigneten Unsitte, mit der der moderne Mensch sich heute leider zu bewegen pflegt.
Das ergibt einen spürbaren anderen Bewegungsfluss, und so kam mir die Idee, diese Einsicht in die Malerei umzusetzen, in einen befreiteren Umgang mit Farbe. Aus psycho-somatischer Sicht meint sprich bedeutet die Hüfte notabene, das ‚Tun erster Schritte’, das ‚Aus-Schreiten’, markiert die ‚Reichweite’ und den ‚Aktionsradius’; die Hüfte steht symbolisch für den Lebensschwung, den Hüftschwung eben! Interessanterweise erlebe ich am eigenen Körper seit diesen Trainings, dass ich am Morgen beim Wachwerden neuerdings als erstes die Hüfte bewege, bevor sich Arme oder Beine zu strecken beginnen; und diese Hüftbewegungen haben etwas sehr erquickendes an sich! Es entwickelt sich unmittelbar ein angenehmes, bejahendes und lebenslustiges Gefühl.
Maltechnisch gesehen bedeutet das, dass ich mich zum Beispiel in einem leichten Winkel zur Leinwand stelle, zweitens die Hüfte zur Leinwand voll eindrehe, und dann erst den Arm auf natürliche beinahe unkontrollierte Art nachziehen lasse, wodurch der Farbanstrich geschieht. Wie man sich leicht vorstellen kann, gerät dabei der Abstand zur Leinwand ein wenig aus der Kontrolle, womit beim einfachen Verwenden eines Malpinsels der Pinsel dann entweder die Leinwand verfehlt oder aber mit viel zu viel Druck auf sie aufprallt, daher staucht oder gar die Leinwand eindellt. So kam die Idee auf, deshalb Vogelfedern als Malauftrags-Werkzeug einzusetzen; ihre natürliche Elastizität erlaubt den Einsatz dieser neuen Malmethode. Und da in einer solchen durch die Hüfte initiierten Malbewegung so viel Schwung steckt, Lebensschwung eben, kommt beim Arbeiten automatisch Freude und Heiterkeit auf, wird Malerei zur schwungvollen optischen Rhetorik, ja zu einer Art Lebensphilosophie. Diese Tatsache führte mich nahtlos zur Entwicklung der Namensgebung, der nämlich von der Kalligraphie zur Kalliobainie:
Die Musen sind in der griechischen Mythologie bekanntlich die Schutzgöttinnen der Künste. So zum Beispiel ist Thalia die griechische Muse für Lebenslust und Humor, die Blühende, die Muse der heiteren Dichtkunst, der Komödie, des Lustspiels. Die Muse Kalliope ist die Muse der epischen Dichtung, die mit der schönen Stimme, der Rhetorik, der Philosophie und der Wissenschaft. Ihre Attribute sind die Schreibtafel und der Schreibgriffel, für mich in übersetztem Sinne eben die Leinwand und die Malfeder; und ebenso steht für mich die Rhetorik der Muse Kalliope hier nun stellvertretend für die optische Rhetorik! Und ‚‚baino’ andererseits steht im Griechischen für ‚schreiten, (vor)gehen’, und findet via dem Alt-Germanischen ‚Baina’ im Deutschen ‚Bein’ heute seinen Niederschlag.
Kalliobainie meint somit das heitere, zutiefst stimmige Ausschreiten, den Hüftschwung, aus dem heraus der lebensbejahende Farbauftrag erfolgt! Was für eine Entwicklung aus dem Handgelenk über den Ellbogen hin zur Kalliobainie mit Bewegung aus dem Lebenszentrum des Beckens heraus, vertreten durch die Gelenke der Hüfte. Hüfte als Basis des Ausschreitens, Basis der äusseren wie der inneren Reise, der Lebensstimme gleich...
Edmond Jurczek ist Autor des Manuskripts (in D bzw. E) von
DAS SEHNEN DER SEELE – das wohltuende Gewicht der Liebe bzw. SUN OF SOUL – Gravity of Love
geschrieben in Abu Dhabi/Lenzburg 2010/2011
Presse-Auszug Neue Zuger Zeitung, 07. Dez. 1999
Cham: Ausstellung zum Jahrtausendwechsel – Edmond Jurczek stellt in der Villa Villette aus
Maler, Önologe, Physiker und – Visionär
Was für ein Konglomerat von Bildern: Nostalgie pur in Veduten von Roma aeterna oder von der venezianischen Rialtobrücke. Dann das Matterhorn in grellem Grün und Rot. Dazwischen die Zuger Ober-Altstadt – in verschiedene Farben getaucht. Jurczek aber malt und schreibt nicht nur, er entwirft – untermalt durch seine Bilder – auch eine zukünftige Schweiz, der er eine <neue Identität> wünscht.
Jurczek erklärt anschaulich ein Muster sinnvoll differenzierter Wahrnehmungsarten als eine Art Philosophie: Positionieren von Formen (Architektur), Variieren der Farben (Malerei), Komponieren der Stimmungen (Musik) und Visionieren der Gesinnungen (Dichtung).
Auch möchte Jurczek das Wort Vernetzung stärker als etwas vom Herzen Kommendes erfahren. Das versucht er in Malerei auszudrücken. Anstatt Net-Work heisst es dann Net-Heart, als vernetzendes Herz der Gemeinschaft, wie es Jurczek nennt. In Bildform dargestellt, präsentiert es sich als ein nach oben in Flammen erglühendes Herz...
Weil auch Önologie in das Fachgebiet von Jurczek gehört, hat er eigene Kreationen in Flaschen abgefüllt. Sie nennen sich etwa <Monsieur Edmond>, <Nuss-Port> oder <Nussac>.
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